Kreativität - Haben Künstler ein besonderes Gehirn?

Kreative Menschen, wie zum Beispiel Künstler, nutzen mehr die rechte Seite ihres Gehirns, während die linke Hemisphäre bei rational denkenden Menschen aktiver ist. Wahrheit oder Mythos?

Ein verbreiteter Mythos über das Gehirn ist die Behauptung, dass kreative Menschen, wie zum Beispiel Künstler, mehr die rechte Seite ihres Gehirns nutzen, während die linke Hemisphäre bei rational denkenden Menschen aktiver sei. Dies ist schon viele Male widerlegt worden und - wenn Sie immer noch davon überzeugt sind - ein bisschen Recherche mit Google wird Sie vom Gegenteil überzeugen. Wahr ist jedoch, dass das Gehirn von Künstlern und Kreativen im Allgemeinen strukturelle Unterschiede gegenüber dem Gehirn von Nicht-Kreativen zeigt. Bedeutet das nun, dass Talent wichtiger ist als Übung und Umwelt, wenn man ein erfolgreicher Künstler werden will? Die Wahrheit liegt - wie meistens - etwa in der Mitte.

Das Gehirn des Künstlers

Rebecca Chamberlain von der Universität Leuven in Belgien führte kürzlich eine Studie durch, in der sie die Gehirne von 21 Kunststudenten mit denen von 23 Studenten aus nicht-künstlerischen Fächern verglich. Sie verwendete dabei eine Methode, die als Voxel-basierte Morphometrie bezeichnet wird. Dabei werden Hirnstrukturen, die man in bildgebenden Verfahren erkennt, durch Größe, Intensität, Form- und Textur quantitativ beschrieben. Diese Maßzahlen werden dann in Statistiken verwendet und gemeinsam mit anderen klinischen und experimentellen Parametern analysiert. Chamberlain fand heraus, dass die Künstler mehr graue Substanz in einer Gehirnregion des Seitenlappens haben, die als Precuneus bezeichnet wird. Diese Region dient der Kontrolle der Feinmotorik und dem so genannten prozeduralen Gedächtnis.

“Diese Region", so Dr. Chamberlain," ist bei einer Reihe von Aufgaben involviert, vermutlich auch bei solchen, die für Kreativität ausschlaggebend sind, wie bildliche Vorstellungskraft, die Fähigkeit, Bilder mental zu manipulieren und zu verändern, Bilder miteinander zu kombinieren und durch Dekonstruktion neu zu interpretieren."

In Gehirn und Rückenmark kann man zwischen Grauer und Weißer Substanz unterscheiden. Die Graue Substanz, benannt nach ihrer gräulichen Farbe im fixierten Gewebe, enthält hauptsächlich Nervenzellkörper, während die weiße Substanz fast ausschließlich Nervenleitungsbahnen mit ihren weißen Isolierungen enthält. Die weiße Substanz ist also verantwortlich für die Kommunikation zwischen den Gebieten der grauen Substanz. Und die graue Substanz ist hauptverantwortlich für die eigentliche Rechnerleistung des Gehirns. Aus diesem Grund assoziieren viele Menschen die graue Substanz mit Intelligenz und Intellekt und daher stammen solche Redewendungen wie "seine grauen Zellen nutzen".

Es ist noch nicht vollständig verstanden, was ein Mehr an Grauer Substanz in bestimmten Gehirnregionen bedeutet, die bisherigen Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass es auf eine verbesserte Rechenleistung bzw. kognitive Leistung in diesen Gebieten hindeutet.

Kreativität - Talent oder Übung?

Schwer zu sagen Chris McManus, ein anderer Autor dieser Arbeit vom University College London, gibt zu, dass es immer noch sehr schwierig ist zu unterscheiden, welche Aspekte des künstlerischen Talents angeboren und welche erworben sind.

“Wir müssten noch mehr Studien durchführen, in denen wir untersuchen, wie Teenager sich zum Beispiel beim Zeichnen mit zunehmendem Alter entwickeln. Ich denke aber, dass diese Untersuchung uns schon erste Anhaltspunkte gegeben hat, wonach wir suchen müssen.”

Was den Mythos von der linken und rechten Gehirnhälfte angeht, so hat diese Studie wieder gezeigt, dass er völlig falsch ist. Die vermehrte Graue Substanz wurde bei den Künstlern sowohl in der rechten wie in der linken Großhirnhemisphäre gefunden. Man kann jedoch nicht sagen, ob die Veränderungen im Gehirn der Künstler Ursache für ihr künstlerisches Talent sind - also angeboren - oder eine Folge der künstlerischen Betätigung - also erworben.

Quelle:

Chamberlain, Rebecca et al.: Drawing on the right side of the brain: A voxel-based morphometry analysis of observational drawing. NeuroImage, Vol. 96 (2014) S. 167–173.