Forscher sehen dem Gehirn beim Lernen zu

Was passiert im Gehirn, wenn wir etwas lernen? Mit den bildgebenden Verfahren der modernen Medizin können wir dem Gehirn während des Lernens zusehen. Und das liefert eine Antwort auf die Frage: Können wir unbegrenzt viel lernen, oder stößt das Gehirn irgendwann an seine Grenzen?

Zur Frage, wie das Gehirn lernt, führten Forscher um Martin Tegenthoff von der Ruhr-Universität Bochum einen einfachen, aber eleganten Versuch durch. Sie setzten Versuchspersonen zwei Nadeln in geringem Abstand auf die Zeigefingerspitze. Das nahmen die Versuchspersonen als eine einzige Nadel wahr. Dann reizten sie einen kleinen Bereich auf der Fingerkuppe der Testpersonen drei Stunden lang mit einer vibrierenden Membran. Nun konnten die Probanden zwei eng beieinanderstehende Nadeln auf ihrer Fingerkuppe voneinander unterscheiden.

Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) (Erklärung siehe unten) können die Wissenschaftler dem Gehirn bei diesem Lernvorgang zusehen. Der aktive Bereich des Gehirns, der auf die Stimulation der Fingerkuppe reagierte, hatte sich nach den drei Lernstunden deutlich vergrößert. Die gleichzeitige Verarbeitung der Reize von der Fingerkuppe aktivierte also ein ausgedehntes Netzwerk von Nervenzellen.

Größeres neuronales Netz - mehr Lernerfolg

Die fMRT-Messungen zeigten auch deutlich das Ausmaß des Lernerfolges der einzelnen Testpersonen: Diejenigen Probanden, bei denen sich die aktivierte Hirnregion am meisten vergrößerte, hatten auch die größten Erfolge bei der Unterscheidung der eng beieinanderstehender Nadeln. Allerdings blieben die Veränderungen der Hirnaktivität ebenso wie die Lernerfolge der Probanden nur von kurzer Dauer: Nach 24 Stunden hatten sie sich bereits wieder zurückgebildet.

Lernen besteht also in der Ausbildung umfangreicher neuronaler Netze, wenn es auch im obigen Fall nicht dauerhaft war. Dazu war vermutlich die Lernperiode zu kurz und wurde nicht häufig genug wiederholt. Aber der Versuch gibt auch eine erste Antwort auf eine andere interessante Frage: Ist der Speicherplatz im Kopf begrenzt?

Aus der Computertechnik sind wir gewohnt an Festplatten oder Speicherchips mit soundso viel Gigabyte Speicherkapazität. Kann man fürs Gehirn auch eine solche Zahl angeben? Nein, denn das Gehirn funktioniert grundlegend anders als ein Computer. Wir haben eine Vielzahl unterschiedlicher Lernsysteme aus neuronalen Netzen und jedes davon besitzt eine potenziell unerschöpfliche Kapazität. Man muss sich das Gedächtnis also nicht wie eine statische Festplatte, sondern mehr wie ein sich ständig wandelndes Netzwerk vorstellen, das nahezu beliebig viele Verknüpfungen ausbilden kann.

"Modellrechnungen haben gezeigt, dass theoretisch der Speicher des menschlichen Gehirns selbst dann noch Kapazitäten hat, wenn ein Mensch 130 Jahre täglich mit vielen Informationen versorgt würde und diese Daten auch aufnehmen könnte." Die Merkfähigkeit unseres Gehirn ist also potentiell unbegrenzt oder zumindest kennen wir seine Grenzen noch nicht.

Erklärung: funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT)

Die fMRT ist ein Verfahren, mit dem Stoffwechselfunktionen im Inneren des Gehirn bildlich dargestellt werden können. Hierzu werden die unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften von sauerstoffreichem und sauerstoffarmem Blut ausgenutzt, um Änderungen in der Durchblutung der Gehirnareale abzubilden.

Quelle:

Pfleger, B. et al. Functional imaging of perceptual learning in human primary and secondary somatosensory cortex. Neuron 40(3):643-53..